Wenn der Tourist das Werk zerstört. Ist der Stuhl von Nicola Bolla nun ein anderes Werk?


Was passiert, wenn ein Kunstwerk zu Bruch geht? Der Fall des Stuhls von Nicola Bolla, der von einem Touristen zerbrochen wurde, der sich selbst fotografieren wollte, wirft eine Frage auf: Was bleibt von einem Kunstwerk übrig, wenn es beschädigt ist? Ist es noch es selbst? Kann sich seine Funktion und damit auch seine Bedeutung ändern? Die Meinung von Federica Schneck.

In der bewachten Stille eines Museums scheint alles unbeweglich. Die Werke stehen unbeweglich da, wie Relikte aus einer anderen Zeit. Die Besucher überfliegen sie mit den Augen, gehen langsam, lesen manchmal, fotografieren oft. Doch was passiert, wenn etwas zerbricht? Wenn eine dieser scheinbar ewigen Präsenzen zerbricht? Wenn die Kunst im physischen und materiellen Sinne des Wortes nachgibt?

Es geschieht in Verona, im Palazzo Maffei, im historischen Herzen der Stadt. Ein Werk des Turiner Künstlers Nicola Bolla mit dem Titel Van Gogh Chair wird von einem Besucher beschädigt. Kein Vandalenakt, keine aggressive Geste: Jemand setzt sich einfach hin. Vielleicht, um ein Foto zu machen, um sich als Teil desWerks zu fühlen, für einen Moment unbewussten Narzissmus. Aber der Stuhl, der aus einer dünnen Struktur besteht und mit Hunderten von Swarovski-Kristallen besetzt ist, ist nicht dazu gedacht, das Gewicht eines Körpers zu tragen. Er ist eine Skulptur, eine in Form gebrachte Idee. Und unter diesem Gewicht bricht das Werk zusammen.

Der Vorfall machte in den Zeitungen die Runde und schwankte zwischen Empörung und Ironie, mit Schlagzeilen wie “Idiotischer Tourist zerstört Kristallstuhl” oder “Kunstwerk wird mit Einrichtungsgegenstand verwechselt”. Doch hinter den kuriosen Nachrichten verbirgt sich eine tiefere Frage: Was bleibt von einem Kunstwerk, wenn es beschädigt ist? Ist es noch es selbst? Kann sich seine Funktion und damit auch seine Bedeutung ändern?

Nicola Bolla, Van Gogh
Nicola Bolla, Van Gogh
Der zerbrochene
Der kaputte Van-Gogh-Stuhl

Unsere Beziehung zur Kunst ist paradox: Wir nähern uns ihr, betrachten sie, verstehen sie aber oft nicht. Dies gilt insbesondere für die zeitgenössische Kunst, die mit der Zweideutigkeit zwischen Form und Funktion, zwischen Objekt und Symbol spielt. Ein Stuhl kann sowohl ein Möbelstück als auch eine konzeptionelle Skulptur sein. Aber er kann nicht beides gleichzeitig sein. Der Stuhl von Nicola Bolla, der zu einer Reihe von Werken gehört, die Alltagsgegenstände neu interpretieren, indem sie sie mit kostbaren Materialien überziehen, ist eine visuelle Falle, ein Spiel mit der Mehrdeutigkeit. Wie viele zeitgenössische Werke lebt er in einem Kurzschluss zwischen dem, was er zu sein scheint und dem, was er ist. Scheinbar einladend, schimmernd, elegant, beruhigend, ist es in Wirklichkeit unbrauchbar, zerbrechlich, poetisch. Genau dieser Widerspruch macht seine Bedeutung aus: ein gewöhnlicher Gegenstand, unbrauchbar gemacht und durch seine Kostbarkeit sakralisiert. Wer sich auf diesen Stuhl gesetzt hat, hat also einen kognitiven Fehler begangen, bevor er physisch war: Er hat ein Werk für einen Gegenstand gehalten, er hat die Kunst mit dem Leben verwechselt. Und wenn es stimmt, dass Kunst oft erlebt werden will, dann zeigt diese Episode auch, wie brüchig die Grenze zwischen Erfahrung und Ablenkung ist.

Es stellt sich also die Frage:Ist ein beschädigtes Kunstwerk einfertiges Werk? Oder ist es einfach einWerk, das sich verändert, das sich weiterentwickelt, das sich einer anderen Geschichte öffnet? Im Fall von Bollas Stuhl ist die Antwort schnell gegeben: Die Restauratoren des Museums greifen ein, setzen das Werk neu zusammen, rekonstruieren seine Form. Der Künstler ist einverstanden. Die Institution ist beruhigt. Aber etwas hat sich unweigerlich für immer verändert. Und der Künstler ist sich dessen bewusst.

Der Stuhl ist nicht mehr “der von früher”, sondern ist etwas anderes geworden: ein verletztes, neu zusammengesetztes Objekt, das die Erinnerung an den Unfall in sich trägt. Er ist nun ein Werk, das auch von seiner Verletzlichkeit erzählt. Ein bisschen wie die japanischen Kintsugi-Vasen, die mit Gold gefüllte Risse aufweisen, um die Zerbrechlichkeit als Schönheit zu verdeutlichen. Das Werk von Bolla kann, auch wenn es restauriert ist, nicht mehr gelesen werden, ohne an die Geste zu denken, die es beschädigt hat. So sehr, dass er selbst darüber nachdenkt, den Titel des Werks zu ändern. Seine Bedeutung hat sich erweitert, geschichtet. Es hat seine Unschuld verloren, aber es hat an Tiefe gewonnen.

Und warum? Die Kunst ist heute nicht nur eine ästhetische Produktion, sondern auch eine relationale Praxis. Sie lebt in dem Raum, der zwischen dem Werk und dem Publikum entsteht. Wenn dieser Raum verletzt wird, sei es durch Vernachlässigung, Oberflächlichkeit oder schlichte Unkenntnis, wird das Werk plötzlich aus seiner Funktion gerissen. Das empfindliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Rezeption ist gestört. Die Episode in Verona ist kein Einzelfall: andere Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass die Zerbrechlichkeit der Kunst auch einekollektive Verantwortung ist. Es reicht nicht aus, ein Schild mit der Aufschrift “Anfassen verboten” aufzustellen. Was wir brauchen, ist eine Erziehungdes Blicks, eine Pädagogik der Verwirklichung. Das Betrachten eines Werks ist keine passive Geste, sondern eine Form der Pflege.

Die Szenen im Video

Und hier berühren wir eineunbequeme Wahrheit : Viele Zuschauer sind es nicht mehr gewohnt, zwischen ästhetischen und performativen Erfahrungen zu unterscheiden. Die Welt der sozialen Medien hat den Weg für die Spektakularisierung von allem geebnet: Jeder Ort ist eine Kulisse, jedes Objekt eine Kulisse. Aber Kunst ist kein Konsumobjekt. Sie ist vielmehr ein Ort, der mit Respekt bewohnt werden muss. Ein Aspekt dieses Ereignisses verdient jedoch Aufmerksamkeit: Das Werk sagt jetzt mehr aus als zuvor. Vorher war es nur eine Hommage an Van Goghs Stuhl, eine spielerische, aber konzeptionell klare Skulptur. Jetzt ist es auch ein Dokument unserer Zeit. Ein Zeugnis der kulturellen Zerbrechlichkeit. Ein Beweis dafür, dass Kunstwerke, wie lebende Körper, zerbrechen können.

DerVan-Gogh-Stuhl von Nicola Bolla ist heute paradoxerweise bedeutender als zuvor. Denn er hat das Ereignis mitgemacht, den Sturz erlitten und ist verwandelt daraus hervorgegangen. Nicht nur repariert, sondern als Träger einer neuen Bedeutungsebene. Das rechtfertigt natürlich nicht den zerstörerischen Akt. Aber es lädt uns dazu ein, die Bedeutung des Werks nicht als statisches Objekt, sondern als lebendige Einheit zu überdenken. Kunst ist nicht nur Repräsentation: Sie ist auch Beziehung, Trauma, Erinnerung. Wir leben in einem Zeitalter, in dem alles beschleunigt wird, alles dokumentiert wird, alles potenziell abgelenkt wird. Aber Kunst verlangt Langsamkeit, sie verlangt Aufmerksamkeit. Und sie verlangt auch Verantwortung. Nicht nur von denen, die sie machen, sondern auch von denen, die sie sehen, die sie aufnehmen, die sie leben.

Vielleicht ist dies der tiefste Sinn der Verona-Episode: uns daran zu erinnern, dass Kunst, genau wie das Leben, immer ausgesetzt ist. Sie ist zerbrechlich. Sie ist wandelbar. Aber gerade deshalb spricht sie weiter zu uns. Selbst wenn sie zerbricht. Und vielleicht ist bei näherer Betrachtung nur das, was zerbrechen kann, wirklich lebendig.


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