Entartete Kunst": Die NS-Ausstellung zur Verurteilung der "entarteten Kunst


Am 19. Juli 1937 wurde die Ausstellung "Entartete Kunst" eröffnet, mit der das NS-Regime dem Publikum "entartete" Kunst zeigen wollte, die den Grundsätzen des Regimes widersprach.

19. Juli 1937. In München, im Archäologischen Institut im Hofgarten, wird eine Ausstellung eröffnet, die eine der dunkelsten Seiten der Kunstgeschichte füllen sollte: Sie trägt den Titel " Entartete Kunst" und wird von Adolf Ziegler (Bremen, 1892 - Varnhalt, 1959) kuratiert, einem pompösen akademischen Maler, den das NS-Regime im November 1936 an die Spitze der Reichskammer der Bildenden Künste stellt, einer Einrichtung zur Förderung der als konform angesehenen deutschen Kunst, die aber während der Ausstellungszeit auch die Aufgabe hatte, alle Gemälde, die den Grundsätzen des Regimes widersprachen, aus den deutschen Museen zu entfernen. Die Leitlinien der Beschlagnahmungen wurden am anschaulichsten in einer Anfang 1937 veröffentlichten Broschüre zusammengefasst: Sie trug den Titel Säuberung des Kunsttempels, und der Autor war Wolfgang Willrich (Göttingen, 1897 - 1948), ein ebenso eitler wie konservativer Amateurmaler, der früher im Kultusministerium tätig war und mit der Organisation der Münchner Ausstellung betraut wurde.

Adolf Ziegler
Adolf Ziegler. Foto: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Mit seinem Werk etabliert sich Willrich als einer der de facto Ideologen der Zensur. Seine abwegige Argumentation geht so weit, dass er das künstlerische Schaffen als Mittel zur Definition der reinen deutschen Rasse ansieht, denn “die Kunst”, so heißt es in dem Text, “ist besser als das Wort geeignet, die Idee der Rasse zu verbreiten und zu prägen”, die "den Adel des deutschen Volkes zu begründen trachtet, indem sie dem Volke selbst als Führer dient [...]. Die Sehnsucht des deutschen Volkes nach diesem Adel zu wecken, deutlich zu machen, dass das Schöne und Erhabene nicht einfach ein Privileg der Götter ist, an die man nicht glauben darf, sondern dass es vielmehr eine menschliche Möglichkeit und das letzte Ziel der Wiedergeburt ist ... welch hehre Ziele für die Kunst! Die Kunst muss im Grunde genommen den Menschen ein Beispiel geben, damit sie sie bei der Definition der reinen Rasse anleiten kann. Kein Platz also für eine Kunst, die von diesem Ziel abweicht: Der Erfolg von Künstlern wie Nolde, Kirchner, Schmidt-Rottluff und vielen anderen und ihre Aufnahme in die Berliner Akademie der Künste wird von Willrich als Ergebnis der “Verderbnis des Geistes”, des “Bemühens um die Befriedigung der öffentlichen Meinung” und der “Bolschewisierung” der Kunst gesehen. Willrich ist jedoch weder der Erste noch der Einflussreichste: Viele Jahre vor ihm, 1892, hatte Max Nordau ein Buch mit dem Titel Entartung " veröffentlicht, das als eines der ersten Werke über entartete Kunst gilt. Nordau vertrat die These, dass die Menschheit eine Entartung, eine Schwächung der Moral, erlebe und dass die Kunst zu den Hauptverursachern dieser Entartung gehöre. Seine Kritik konzentrierte sich vor allem auf die Literatur (Autoren wie Nietzsche, Ibsen, Wilde, Zola, Baudelaire, Tolstoi wurden als “Entartete” bezeichnet), erstreckte sich aber auch auf die bildende Kunst, in der u. a. Manet, Rossetti, die Impressionisten und die Symbolisten aufgeführt wurden.

Die Überschrift des Buches Säuberung des Kunsttempels von Wolfgang Willrich
Die Überschrift von Wolfgang Willrichs Buch Säuberung des Kunsttempels

Die Idee eines “Kanons der entarteten Kunst” war also nicht neu, aber in den 1930er Jahren sollte sie eine tiefgreifende Rolle für das Kunstgeschehen in Deutschland und im weiteren Sinne in ganz Europa spielen. Die innovativsten Künstler dieser Zeit (aber auch Autoren der vorangegangenen Generationen, von denen viele seit Jahren verschollen waren) wurden vom Regime tatsächlich verboten. Die Namen sind illuster: Die Lektüre der Listen der beschlagnahmten Kunstwerke (deren einziges bekanntes vollständiges Inventar heute im Victoria and Albert Museum in London aufbewahrt wird) ist wie ein Rückblick auf die größte Kunstgeschichte des frühen 20. Dort finden wir die Künstler der Gruppe Die Brücke (Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Otto Müller, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff u.a.), die des Blauen Reiters (Wassili Kandinsky, Paul Klee, Franz Marc), andere Expressionisten wie Max Beckmann, Marc Chagall und Christian Rohlfs, sowie deren Vorläufer wie Edvard Munch und James Ensor, aber auch die Künstler der Berliner Sezession (wie Oskar Kokoschka, Max Liebermann und Lovis Corinth), die Künstler der Neuen Sachlichkeit (George Grosz, Otto Dix, Georg Schrimpf, Conrad Felixmüller), die Dadaisten wie Kurt Schwitters und Raoul Hausmann, die Bauhaus-Künstler (u.a. Johannes Itten und László Moholy-Nagy), die Kubisten (auch Pablo Picasso, Georges Braque, Fernand Léger und Oleksandr Archipenko waren betroffen, sowie ein orphischer Kubist wie Robert Delaunay), und wiederum die Futuristen(Umberto Boccioni, Carlo Carrà), die Symbolisten (wie Gustav Klimt und Odilon Redon) die Nachimpressionisten wie Vincent van Gogh, Paul Cézanne und Henri Matisse, dann Künstler aus dem Paris der 1920er Jahre wie Amedeo Modigliani und Moïse Kisling bis hin zu den jüngsten und aktuellsten Künstlern, von Piet Mondrian bis El Lissitzky über Giorgio De Chirico, Theo van Doesburg, Max Ernst, Natalia Goncharova und viele andere.

Eines der Blätter des Inventars der beschlagnahmten Werke (erster Teil der Liste der aus den Sammlungen der Stadt Gelsenkirchen beschlagnahmten Werke)
Eines der Blätter des Inventars der beschlagnahmten Werke (erster Teil der Liste der aus den Sammlungen der Stadt Gelsenkirchen beschlagnahmten Werke)

Viele ihrer Werke sind in der großen Ausstellung von 1937 zu sehen. Diese Ausstellung war jedoch nicht die erste überhaupt: Der Münchner Ausstellung gingen nämlich mehrere kleinere Ausstellungen voraus, von denen die erste 1933 im Dresdner Rathaus stattfand. Bei dieser Gelegenheit wurden etwa zweihundert Werke gezeigt, davon zwei Drittel Zeichnungen und Aquarelle sowie mindestens zweiundvierzig Gemälde und zehn Skulpturen. Trotz ihres relativ geringen Umfangs war diese Ausstellung von großer Bedeutung, nicht nur, weil sie die erste der der “Entarteten Kunst” gewidmeten Ausstellungen war, sondern auch, weil sie den Grundstein für die große Veranstaltung legte, die am 19. Juli 1937 eröffnet werden sollte. In den vier Jahren zwischen den Ausstellungen in Dresden und München ereigneten sich dann Ereignisse, die die deutsche Kunstszene noch stärker und massiver beeinflussen sollten. Gegen Ende des Jahres 1936 unternahm der Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, zwei entscheidende Schritte: Er ernannte den bereits erwähnten Ziegler, der deutlich extremistischer war als sein Vorgänger Eugen Hönig, zum Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Kunst, und vor allem verbot er die Kunstkritik, um die direkte Kontrolle des Reichs über jede künstlerische Äußerung in Deutschland zu verschärfen (schließlich hatte Hitler bereits 1929 die Presse als einen der Hauptverantwortlichen für die Verbreitung der “entarteten Kunst” ausgemacht). Diese Entscheidung setzte der künstlerischen Debatte im Land ein Ende: Von nun an sollte nur noch Kunst, die den Forderungen des Reiches entsprach, in den Galerien gezeigt werden. Um den neuen Kurs zu sanktionieren und offiziell die Richtung vorzugeben, beschloss Goebbels (der wie Hitler und Göring in den Jahren zuvor die kleinen Ausstellungen der “Entarteten Kunst” besucht hatte), eine Doppelveranstaltung in München zu organisieren: eine große Ausstellung, in der die als gut und vorbildlich geltende Kunst gezeigt werden sollte(Große Deutsche Kunstausstellung), die allen Künstlern offenstand, die sich daran beteiligen wollten (bei der Jury gingen bis zu fünfzehntausend Bewerbungen ein), und eine Ausstellung, die im Gegensatz dazu das versammelte, was als abweichend galt. Letztere wird sehr schnell organisiert: Der Erlass, mit dem Goebbels Ziegler mit der Rolle des Kurators betraut, ist auf den 30. Juni datiert. In nur zwei Wochen durchkämmen der Reichskammerpräsident und seine Kommission die deutschen Museen und beschlagnahmen 5.328 Werke, aus denen diejenigen ausgewählt werden, die der Öffentlichkeit gezeigt werden sollen.

Die Richtlinien, denen Zieglers Kommission folgt, sind ganz einfach. Alle Werke, die zur Abstraktion neigen oder deren Figuren als unrealistisch gelten, werden beschlagnahmt. Werke, die gegen die guten Sitten oder die Ehre der Nation verstoßen, werden ebenfalls gestrichen. Werke von Künstlern, denen es an technischem Geschick mangelt, werden aus den Museen entfernt. Auch die Zeitschriften, in denen die aktuellsten Kritiker schreiben, werden überprüft, so dass Listen mit den Namen der zu tadelnden Künstler leicht zu erhalten sind. Willrichs abscheuliches Buch, in dem weitere als entartet geltende Künstler aufgelistet sind, wird untersucht, und dasselbe geschieht mit dem literarischen Werk der Regimekritiker. Generell sind alle Künstler von den Beschlagnahmungen betroffen, deren Sensibilität als reichsfern gilt. Auch Künstler, die der NSDAP beigetreten waren, blieben nicht verschont: Emil Nolde, der lange Zeit Mitglied der Partei war, wurde mit mehr als tausend Werken beschlagnahmt und durfte trotz seiner Proteste nicht mehr malen. Nolde und viele andere Künstler erhielten Briefe des Reichskammerpräsidenten, in denen sie über ihren Ausschluss aus dem Institut informiert wurden. In dem Schreiben, das Schmidt-Rottluff erhielt, heißt es: "Anlässlich der Beseitigung entarteter Kunst aus den Museen [...] teile ich Ihnen mit, dass 608 Werke bei Ihnen beschlagnahmt worden sind. Ein Teil davon wurde auf den Ausstellungen Entartete Kunst in München, Dortmund und Berlin ausgestellt. Aus diesem Grunde müssen Sie verstehen, dass Ihre Werke nicht den Zielen der Förderung der deutschen Kultur gegenüber Volk und Reich entsprechen. Sie haben die Reichsansprache zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung sicher zur Kenntnis genommen und sind trotzdem weit entfernt vom kulturellen Denken des nationalsozialistischen Staates. Aus diesen Gründen sind Sie nicht mehr geeignet, Mitglied dieser Kammer zu sein. [...] Ich schließe Sie daher aus der Reichskammer der bildenden Kunst aus und verbiete Ihnen mit sofortiger Wirkung jede berufliche oder sonstige Tätigkeit auf dem Gebiet der bildenden Künste. Gezeichnet: Adolf Ziegler".

Die Kuratoren, die von den Beschlagnahmungen betroffen sind, haben wenig Zeit, um Werbematerial vorzubereiten. Die Zeit erlaubt es ihnen nur, an ein Flugblatt zu denken, das die Veranstaltung auf diese Weise bewirbt: Gequälte Leinwände - geistige Degradierung - kranke Phantasien - unfähige Geisteskranke - Produkte und Produzenten einer “Kunst”, die von den jüdischen Cliquen belohnt und von den Literaten geschätzt wird, die vom Staat und den Städten gekauft werden, die Millionen von nationalen Mitteln vergeuden, während die Künstler des deutschen Volkes verhungern. Seht: so war dieser Staat, so war seine Kunst. Kommt und seht! Urteilen Sie selbst! Besuchen Sie die Ausstellung ’Entartete Kunst’. Eintritt frei. Verboten für junge Leute. Der offizielle Katalog der Ausstellung wurde nur vier Monate später anlässlich der Station der Ausstellung in Berlin veröffentlicht und erlangte Berühmtheit durch sein Titelbild, das aus der Fotografie eines Werks von Otto Freundlich (Słupsk, 1878 - Majdanek, 1943), Großer Kopf (Der Neue Mensch), bestand, einer Skulptur im primitivistischen Stil, die eindeutig von den großen Statuen der Osterinsel inspiriert war: Der Titel der Ausstellung wurde einfach auf das Bild gesetzt. Sowohl Freundlich als auch seine Skulptur nehmen jedoch ein tragisches Ende: Die Skulptur verschwindet 1941, wahrscheinlich zerstört, während der Künstler in das Konzentrationslager Majdanek bei Lublin in Polen deportiert und noch am Tag seiner Ankunft ermordet wird.

Der Werbeflyer zur Ausstellung und der Katalog zur Ausstellung in Berlin
Das Flugblatt zur Ausstellung und der Katalog der Berliner Ausstellung

Die Ausstellung wurde dann am 19. Juli eröffnet: Ziegler selbst hielt die erschütternde Eröffnungsrede. Hier ein Auszug aus seiner Rede: “Wir haben noch eine tragische Aufgabe zu erfüllen: Wir müssen dem deutschen Volk zeigen, dass bis vor kurzem bestimmte Kräfte, die in der Kunst keinen natürlichen und klaren Lebensausdruck sahen, einen wesentlichen Einfluss auf die künstlerische Produktion ausübten. Es waren Kräfte, die bewusst auf eine gesunde Kunst verzichteten, um eine kranke und entartete Kunst zu fördern und sie gleichzeitig als die größte Offenbarung zu feiern. Aber aus den gestrigen Worten des Führers können wir mit Begeisterung entnehmen, dass für diese Kunstformen das Ende endgültig gekommen ist. [...] Wir befinden uns heute inmitten einer Ausstellung, die nur einen Bruchteil dessen darstellt, was die Museen mit dem Geld des deutschen Volkes als Kunst gekauft und als Kunst ausgestellt haben und ausstellen. Überall sieht man die Produkte dieser verrückten Schurken, die veränderten Nebenprodukte von Frechheit, Ungeschicklichkeit, Entartung. Und was die aktuelle Ausstellung zu bieten hat, löst bei uns den gleichen Ekel, die größte Fassungslosigkeit aus. Viele der Kuratoren unserer Museen haben nicht einmal einen Funken Verantwortungsgefühl gegenüber Volk und Nation, was die Grundvoraussetzung für das Kuratieren einer Kunstausstellung ist”. Bei der Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung, die am Vortag eröffnet worden war, war auch der Führer selbst anwesend und hielt die Eröffnungsrede: Viele der Anwesenden schrieben jedoch später, Adolf Hitler sei an diesem Tag sehr nervös gewesen. Es schien, dass er, Goebbels und die anderen Anwesenden in gewissem Maße den Qualitätsunterschied zwischen den meist mittelmäßigen und beleidigenden Werken, die die Ausstellung arischer Kunst bevölkerten, und den Werken der modernsten Avantgarde, die für die Ausstellung entarteter Kunst zusammengestellt worden waren, spürten. Und Hitler hatte allen Grund zur Sorge, denn das Publikum besuchte die Ausstellung der Entarteten Kunst weitaus eifriger: Bei der für den 30. November anberaumten Finissage verzeichnete die Ausstellung beeindruckende 2.009.899 Besucher, mehr als dreimal so viele wie die “große deutsche Kunstausstellung”. Bis heute ist sie eine der meistbesuchten Kunstausstellungen der Geschichte, für manche sogar die meistbesuchte Ausstellung zeitgenössischer Kunst überhaupt.

Das Publikum steht Schlange, um die Ausstellung Entartete Kunst in München zu betreten
Menschen stehen Schlange, um die Ausstellung Entartete Kunst in München zu betreten


Joseph Goebbels besucht die Ausstellung Entartete Kunst
Joseph Goebbels besucht die Ausstellung der Entarteten Kunst


Adolf Hitler (zweiter von links) beaufsichtigt die Münchner Ausstellung mit Adolf Ziegler (erster von links)
Adolf Hitler (zweiter von links) beaufsichtigt die Münchner Ausstellung mit Adolf Ziegler (erster von links)

Für den Erfolg gibt es mehrere Gründe. Der freie Eintritt hat sicherlich zu einer hohen Besucherzahl geführt, aber er ist nur eine der Zutaten für eine solche Resonanz, dass die Organisatoren über weitere Etappen nachdenken, um die Werke der “entarteten Künstler” in einer vierjährigen Tournee nach Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Wien, Salzburg und in andere Städte des Reiches zu bringen. Die Besucher empfinden die Werke der “offiziellen Kunst” als trivial, langweilig und eintönig, während die “Entarteten” mehr Anregung bieten. Auch hier hat das Publikum offenbar die Vorstellung, dass die Münchner Ausstellung die letzte Gelegenheit sein wird, die Werke moderner Künstler live und aus nächster Nähe zu sehen: Viele von ihnen werden zerstört, andere gehen verloren. Oder die Besucher wollen sehen, wie weit das Regime gegangen ist, um “entartete Künstler” zu beleidigen, wie es im Flugblatt heißt.

In den Ausstellungsräumen werden die Gemälde stets von infamen Kommentaren und Slogans begleitet. Die Werke sind zahlreich: Da der Münchner Ausgabe jedoch ein offizieller Katalog fehlt, der, wie bereits erwähnt, erst anlässlich der Berliner Station erscheinen wird, kann man die Zahl nur schätzen, wobei Wissenschaftler von 650 bis 750 Werken in den Räumen des Archäologischen Instituts Hofgarten ausgehen. Aus dem Berliner Katalog wissen wir, dass die Werke in thematische Gruppen unterteilt sind, die jeweils unter einem bestimmten Titel präsentiert werden. Die Unterteilung der Gruppen zwischen den Räumen in der Münchner Ausstellung folgt jedoch nicht sklavisch den aus dem Katalog bekannten Gruppierungen, aber ihre Erwähnung gibt dennoch eine Vorstellung davon, welche Eigenschaften die Nazis der “entarteten Kunst” zuschrieben. Erste Gruppe, Entartung... Technik: “Zersetzung des Form und Farbempfindens”. Zweite Gruppe, Werke mit religiösem Thema: “Unverschämter Hohn auf jede religiöse Vorstellung”. Dritte und vierte Gruppe, Werke mit einem politischen Thema: “Der politische Hintergrund der Kunstentartung” und “Politische Tendenz”. Fünfte Gruppe: Werke, die als sittenwidrig angesehen werden: “Einblick in die moralische Seite der Kunstentartung: Bordell, Dirnen, Zuhälter”. Sechste Gruppe: Werke, die als schädlich für die Würde der arischen Rasse angesehen werden: “Abtötung der letzten Reste jedes Rassebewusstseins”. Siebte Gruppe: Werke, die weit vom ästhetischen Kanon entfernt sind, der als gesund gilt und den Grundsätzen des Reichs entspricht: “Idioten, Kretins, Paralytiker” (Idioten, Kretins, Paralytiker). Achte Gruppe: Werke von jüdischen Künstlern mit der einfachen Bezeichnung “Juden”. Neunte und letzte Gruppe: Werke von Künstlern, die als wahnsinnig gelten: “Vollendeter Wahnsinn”.

Heute kennen wir viele der in der Ausstellung gezeigten Werke, die mit einem großen, zur Abstraktion neigenden Kruzifix von Ludwig Gies eröffnet wird, das mit dem Kommentar “Dieses Schauerwerk hängt als Heldenehrenmal im Dom zu Lübeck” versehen ist. Die (später zerstörte) Skulptur leitet den Raum der religiösen Werke ein, in dem Gemälde wie Emil Noldes Verlorenes Paradies (heute in der Nolde Stiftung Seebüll) oder Max Beckmanns Christus und die Ehebrecherin (heute im City Art Museum in Saint Louis) zu sehen sind. Aber es gibt viele schöne Werke, die ihren Weg in die Ausstellungsräume gefunden haben. Gemälde wie Otto Müllers Drei Mädchen (ebenfalls in Saint Louis), Marc Chagalls so genanntes Purim (heute im Philadelphia Museum of Art) und Ernst Ludwig Kirchners Damen im Café (heute im Brücke-Museum in Berlin), die Ansicht von Monte-Carlo von Oskar Kokoschka (heute im Musée d’Art Moderne in Lüttich), dasEcce Homo von Lovis Corinth (heute im Kunstmuseum Basel) und Franz Marcs Zwei Katzen, blau und gelb (im selben Museum). Besonders berühmt ist die Wand mit den Werken der Dada-Bewegung: Auf einem Foto sind unter dem ironischen Slogan “Nehmen Sie Dada ernst! / Es lohnt sich” ein Ringbild von Kurt Schwitters (dessen Schicksal wir nicht kennen) und Paul Klees Legende vom Sumpf, heute in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, deutlich zu erkennen. Auf einer anderen bekannten Fotografie ist eine Wand zu sehen, auf der der an die Öffentlichkeit gerichtete Slogan “Sie sagen es selbst” prangt und an der Werke wie Emil Noldes Masken (heute in einer Privatsammlung) oder Wassily Kandinskys Zwei Rote und Conrad Felixmüllers Selbstporträt hängen, beides Gemälde, deren Ende wir nicht kennen.

Ludwig Gies' Kruzifix ausgestellt
Ludwig Gies’ Kruzifix in der Ausstellung


Emil Nolde, Das verlorene Paradies
Emil Nolde, Das verlorene Paradies (1921; Öl auf Leinwand, 106,5 x 157 cm; Seebüll, Nolde Stiftung Seebüll)


Max Beckmann, Christus und die Ehebrecherin
Max Beckmann, Christus und die Ehebrecherin (1917; Öl auf Leinwand, 149,2 x 126,7 cm; Saint Louis, Saint Louis Museum of Art)


Otto Müller, Drei Mädchen
Otto Müller, Drei Mädchen (um 1920; Öl auf Leinwand, 121,9 x 134,8 cm; Saint Louis, Saint Louis Museum of Art)


Marc Chagall, Purim
Marc Chagall, Purim (1916-197; Öl auf Leinwand, 50,5 x 71,9 cm; Philadelphia, Philadelphia Museum of Art)


Oskar Kokoschka, Monte-Carlo
Oskar Kokoschka, Monte-Carlo (1925; Öl auf Leinwand, 73 x 100 cm; Lüttich, Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain)


Franz Marc, Zwei Katzen, blau und gelb
Franz Marc, Zwei Katzen, blau und gelb (1912; Öl auf Leinwand, 74 × 98 cm; Basel, Kunstmuseum)


Die Wand mit den Dada-Werken
Die Wand mit den Dada-Werken


Die Wand mit dem Slogan Sie sagen es selbst
Die Wand mit dem Slogan “Sie sagen es selbst”. Die ersten drei Werke oben links sind die drei im Artikel erwähnten Werke von Kandinsky, Nolde und Felixmüller.

Bis 1941 wurden mehr als sechzehntausend Werke von den Nazis beschlagnahmt. Viele von ihnen wurden zerstört, während andere, wie einige der oben genannten, glücklicherweise überlebten. Bei der Lektüre der Liste der in der Münchner Ausstellung ausgestellten Werke fällt auf, dass Werke ausländischer Künstler (wie van Gogh, Braque, Picasso und andere), die bei den Razzien in den Galerien und Museen ebenfalls beschlagnahmt worden waren, fast völlig fehlen. Tatsächlich wurden viele von ihnen ins Ausland verkauft, oft auf Initiative der Hierarchen selbst: Hermann Göring, dem es gelungen war, durch Beschlagnahmungen und Plünderungen in den besetzten Ländern eine ansehnliche Sammlung aufzubauen, hatte 1938 eine ganze Reihe von Gemälden postimpressionistischer Künstler in seine Obhut genommen und sie persönlich verkauft oder gegen andere Werke eingetauscht. Die Maßnahmen der Nazis konnten die Avantgarde jedoch nicht vollständig aufhalten. Viele Künstler fanden andere Wege, sich auszudrücken: Die meisten zogen ins Ausland und setzten ihre Tätigkeit in Frankreich, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten fort, um ihre Arbeit dort fortzusetzen, wo sie durch Beschlagnahmung und Zerstörung unterbrochen worden war. Und heute kann man mit Gewissheit sagen, dass sich die Kunst trotz des dunklen Zwischenspiels als entschieden stärker erwiesen hat als die gewalttätige Barbarei.

Referenz-Bibliographie

  • Lisa Pine, Life and Times in Nazi Germany, Bloomsbury Publishing, 2016
  • Wolfgang Ruppert, Künstler im Nationalsozialismus: Die ’deutsche’ Kunst, die Kunstpolitik und die Berliner Kunsthochschule, Böhlau Köln, 2015
  • Anson Rabinbach, Sander L. Gilman, Lilian M. Freidberg, The Third Reich Sourcebook, University of California Press, 2013
  • Eric Michaud, The Cult of Art in Nazi Germany, Stanford University Press, 2004
  • Peter Klaus Schuster, Nationalsozialismus und ’Entartete Kunst’, Prestel, 1998
  • Jonathan Petropoulos, Art as Politics in the Third Reich, The University of North Carolina Press, 1996
  • Neil Levi, “Judge for Yourselves!”. Die Ausstellung “Entartete Kunst” als politisches Spektakel im Oktober, Bd. 85, The MIT Press (1998), S. 41-64
  • Georg Bussmann, Kunst im 3. Reich - Dokumente der Unterwerfung, Frankfurter Kunstverein, 1975


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